Freundeskreis Julius-Riemer-Sammlung
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Newsletter 5-14 Wittenberg, 20.12.2014

1. Stadtgespräch über die Einrichtung des Zeughauses

Wie bekannt, hat Anfang Oktober ein Stadtgespräch über den von der Leipziger Agentur kocmoc.net vorgelegten Entwurf für die Einrichtung des Zeughauses stattgefunden.

Man muss wohl leider ein weiteres Beispiel dafür konstatieren, wie sehr bei allem guten Willen Interessenten aus Stadtrat und Bürgerschaft einerseits und Verwaltung andererseits aneinander vorbeireden: Man war nämlich meistenteils gekommen, um die lange versprochene und lange überfällige inhaltliche Diskussion der Ausstellung anzugehen, nachdem das Anfang des Jahres vorgelegte Drehbuch inhaltlich und fachlich sehr enttäuscht hatte (wir haben darüber berichtet) – nur um gleich zu Beginn zu erfahren, dass genau diese Punkte weder vorgestellt noch diskutiert werden sollen.

Was darauf folgte, war die erneute Präsentation des sehr professionellen gestalterischen Konzepts der Agentur kocmoc.net und die erneute Bekundung der Enttäuschung der Redner aus dem Publikum über davon unabhängige inhaltliche Mängel. Für die Präsentation der ethnologischen und naturkundlichen Sammlungen etwa ist seit der Kritik vom Anfang des Jahres in der Konzeption kaum eine inhaltliche Weiterentwicklung zu erkennen, sichtbar an nach wie vor unvollständigen Objektlisten und einem Ausstellungsgrundriss, der offenkundig am Grünen Tisch entworfen und losgelöst von den tatsächlichen Sammlungsverhältnissen Themen vorsieht, die kaum mit eigenen Exponaten dargestellt werden können. Nach der immer noch bestehenden Weigerung der Ausstellungsverantwortlichen, Fachleute für diese Themen an der Planung zu beteiligen (sieht man von zwei Werkverträgen zur Auswahl insgesamt 30 sogenannter Leitobjekte ab), war es sicherlich konsequent, dass ohnehin kein fachlich kompetenter Ansprechpartner anwesend war … Entsprechende Fragen wurden provisorisch aufgenommen.

Das Übrige erledigte eine angesichts der Fakten und dem offenkundigen Unwillen der Planer, sich ihnen zu stellen, recht unfruchtbare Diskussion zur Frage, wie weit die Planungen insgesamt schon fortgeschritten seien: Angesichts der ernüchternden Kahlheit des Drehbuches (zum Dachgeschoss) an den entscheidenden inhaltlichen Stellen wohl ein Streit um des Kaisers neue Kleider – wenn es tatsächlich keine anderen Unterlagen (als die im Nachgang wohl vollständig bekannt gewordenen) gibt: Gesehen hat sie jedenfalls noch niemand.

2. Fortgang des Verfahrens nach dem Stadtgespräch

Wie gesagt sind inhaltliche Punkte aus der Diskussion im Stadtgespräch ausgeschlossen und lediglich aufgenommen worden. Abgesehen davon, dass dieser Fakt von praktisch allen Rednern kritisiert wurde, widerspricht diese Vorgehensweise auch dem Anfang des Jahres deutlich geäußerten Willen des Stadtrates zur Sache.

Wohl aufgrund dieser Kritik ist von der Verwaltung anschließend die Möglichkeit eingeräumt worden, für (lediglich!) vierzehn Tage Einblick in die vorhandenen Unterlagen zu nehmen und schriftliche Einwendungen, Hinweise und Vorschläge geltend zu machen. (Wir haben uns natürlich beteiligt! Zu einigen dabei wichtigen Themen siehe den folgenden Punkt 3.) Diese schriftlichen Meldungen, so wurde versprochen, sollten nach dem 4. November ausgewertet werden, wobei nach wie vor fraglich ist, ob zu denjenigen, welche die Abwägung vornehmen, nun endlich auch Fachleute gehören werden. Wir können uns angesichts der langen Vorgeschichte nur darüber wundern, dass der entscheidende Teil der Diskussion unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden soll. Wie auch immer: Seitdem sind keine Rückmeldungen seitens der Planer oder der Verwaltung zu vernehmen gewesen.

3. Workshop zu den Perspektiven der Riemer-Sammlung

Am 14. November nun haben wir gemeinsam mit den Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen zu einem bereits länger geplanten zweiten Workshop zu den Perspektiven der Riemer-Sammlung für Ausstellung, Forschung und Bildung geladen, um nach zwei Jahren erneut Bilanz zu ziehen und bisher vernachlässigte Themen in die Diskussion zu bringen. Geladen waren neben Vertretern von Stadt und Stadtrat Fachleute aus Museen mit ethnologischem oder naturkundlichem Schwerpunkt sowie Vertreter benachbarter Wittenberger Vereine.

Mit dem Verlauf des Workshops können wir außerordentlich zufrieden sein. Die lebhafte und konstruktive Diskussion zu verschiedenen Aspekten der Sammlung und zur Frage, was die Sammlung für Wittenberg sein kann und soll, hat vor allem ein wichtiges Ergebnis erbracht: In den wesentlichen Fragen denken und argumentieren fast alle Seiten in eine ähnliche Richtung. Dieses Ergebnis muss nun für die Sammlung fruchtbar gemacht werden. Es reicht aus unserer Sicht nicht, einen Teil der Sammlung als historisches Kuriosum auszustellen: Angesichts der allein 620.000 Euro an jährlichen Personalmitteln für die Städtischen Sammlungen (einschließlich Ratsarchiv) darf – auch mit Blick auf die schmaleren Geldbeutel vieler größerer Museen – mehr verlangt werden.

Aus dem Ergebnisprotokoll, dass hier einsehbar ist, lassen sich folgende Punkte als Fazit ziehen:

1. Das Nebeneinander naturkundlicher Sammlungen (in einer Region mit Naturräumen einzigartiger Bedeutung) und ethnologischer Sammlungen (mit der einzigen völkerkundlichen Ausstellung in ganz Sachsen-Anhalt) bietet die Möglichkeit, die Darstellung globaler Prozesse von Klima- und Kulturwandel, dem Verschwinden von Arten und Kulturen und von Hybridisierungsprozessen in den Zusammenhang des in der Region in einzigartiger Dichte vertretenen Weltkulturerbes einzubetten und das Attraktivitätspotential der Stadt durch interdisziplinäre Perspektiven, etwa durch Berücksichtigung des ethnologischen Themas „Weltreligionen“ am Geburtsort der Reformation zu erhöhen.

2. Die Sammlung benötigt – so bald wie möglich und möglichst noch vor Ausstellungseröffnung – eine wissenschaftliche Betreuung. Die wissenschaftliche Arbeit an der Sammlung sollte sich auf sinnvolle Schwerpunkte konzentrieren.

3. Von vielen Seiten wird die Notwendigkeit einer baldigen Inventur der Sammlung betont, zumal in den Städtischen Sammlungen selbst die Größe, auch die ungefähre Größe, der Sammlung unbekannt seien.

4. Stadtrat und Bürgermeister sind gefordert, eine Lösung für ein dauerhaftes Magazin für die Städtischen Sammlungen zu finden.

5. Das – soweit es das Dachgeschoss betrifft – bisher nur als Ideenskizze zu verstehende Drehbuch biete bis zur tatsächlichen Realisierung der Ausstellung noch Zeit und Raum für eine angemessene Anpassung des Konzeptes: Statt einer Memorialausstellung sollten Themen mit aktuellem Bezug den Mittelpunkt der Anstrengungen bilden.

6. Unter die verschiedenen Vorschläge, die Sammlung sinnvoll zu erweitern, gehören das Angebot, Reste eines Höhlenbären, einen Eisbärenschädel und einen Primatenschädel aus der eigenen Sammlung von Prof. Niemitz zu übernehmen, sowie das Angebot des Freundeskreises, der Sammlung, 40 qualitätvolle westafrikanische Lobi-Statuen aus einer Berliner Privatsammlung zu überlassen.

7. Es wird vorgeschlagen, nach dem Vorbild anderer Häuser unter dem Dach des „Zeughauses“ zwei Museen zu vereinen, die nebeneinander und miteinander ausstellen und arbeiten: Ein „Museum für Stadtgeschichte“ und ein „Riemer-Museum für Natur- und Völkerkunde“.

8. Die Stadt wird gebeten, konstruktives bürgerschaftliches Engagement zu den Angelegenheiten der Städtischen Sammlungen und ihrer Ausstellungen verbindlicher einzubeziehen. Eines der Instrumente einer Beteiligung könne die Schaffung eines fachlich orientierten Museumsbeirates sein.

Wir hoffen, dass die unter kompetenter Beteiligung gegebenen Anregungen Grundlage für die weitere Diskussion um das Schicksal der naturkundlichen und ethnologischen Sammlungen Wittenbergs sein werden.

4. Westafrikanische Skulpturen für die Sammlung

Schon auf dem Workshop am 14. November konnten wir ankündigen, dass wir in der Lage sind, der Sammlung 40 Holzskulpturen der westafrikanischen Lobi aus einer Berliner Privatsammlung zu vermitteln. Die Kunstwerke würden die afrikanistische Abteilung der Sammlung hervorragend ergänzen und aufwerten: Sie repräsentieren einen beträchtlichen ideellen und materiellen Wert und verbinden sich in großartiger Weise mit einem möglichen Schwerpunkt der ethnologischen Sammlung zu den Weltreligionen, einem Schwerpunkt, der in der Rahmenvereinbarung zwischen der Stadt und den Organisatoren des Reformationsjubiläums eine wichtige Rolle spielt und bei dessen Ausgestaltung die hiesige ethnologische Sammlung einen bedeutenden Beitrag liefern könnte. Wir hoffen im Übrigen, dass die Überlassung der Skulpturen mit einer Sonderausstellung in den nächsten Jahren verbunden werden kann, für die bereits weitere wertvolle Exponate zugesagt wurden.

Bei allen Schwierigkeiten, Themen und Probleme der Sammlung wirklich offen, in Rede und Gegenrede und unter Öffentlichmachung aller entscheidender Prämissen diskutieren zu können, hoffen wir, nicht unbegründet, denken wir, auf einen guten Fortgang unserer Sache im kommenden Jahr. In diesem Sinne:

Schöne Feiertage allen Abonnenten des Newsletters

Der Vorstand